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Im Sommer 2020 stürzte sich Ingmar Struck in ein großes Abenteuer: Trotz Corona-Pandemie startete er an der University of the Cumberlands in Williamsburg, Kentucky sein Studium und hatte auch schon mit seiner neuen Fußballmannschaft direkt in seinem ersten Jahr etwas zu feiern.
2. Juni 2019. Letztes Heimspiel für die A-Jugend vom FC Angeln 02 an der Stonefield Road. In der 75. Minute nimmt Trainer Kalle Stoppel seinen Torhüter Ingmar Struck aus dem Spiel, der unter großen Applaus den Platz verlässt und zum Abschied ein letztes Mal glücklich Richtung Zuschauer winkt. „Für mich war das natürlich ein sehr emotionaler Moment. Es war das letzte Mal, dass ich vor dieser tollen Kulisse spielen durfte. Dieser besondere Abschied hat mir viel bedeutet“, sagte der heute 20-jährige Keeper aus Stuxdorf damals.
In Flensburg auf sich aufmerksam gemacht
Für Ingmar Struck ging nicht nur seine Zeit beim FC Angeln 02, für den er seit der C-Jugend aktiv war, zu Ende, sondern auch seine Zeit im Jugendfußball. Zur absoluten Krönung fehlte nur noch der Meistertitel, der in seiner letzten Saison knapp verpasst wurde. Beim entscheidenden Spiel gegen Meisterkonkurrent SC Weiche Flensburg 08 im Mai 2019 erwischten die Angeliter einen rabenschwarzen Tag, verloren deutlich mit 0:5. Nur Ingmar Struck im Tor konnte sich an diesem Nachmittag auszeichnen, der mit überragenden Paraden eine noch deutlichere Niederlage verhindern konnte. „Dieser Junge ist der beste Torwart in Schleswig-Holstein und darüber hinaus“, sagte Stoppel stolz über seinen Torhüter, der beim FCA mehrere Hallenkreismeister-Titel, Kreispokal-Gewinne und in der U19 den Sieg bei der Hallenlandesmeisterschaft im Futsal feiern konnte. Beim traditionellen Volkswagen Cup in der Fördehalle wurde er 2015 und 2018 zum besten Torwart des Turniers gewählt. Sein Talent blieb also auch bei den Flensburgern nicht verborgen, die ihn für ihre U23-Mannschaft verpflichteten. „Mein erstes Jahr im Herrenbereich habe ich beim SC Weiche Flensburg 08 gespielt, wo ich Teil der U23 war und auch ab und zu in die erste Mannschaft reinschnuppern durfte“, erzählt Ingmar, der seit dem letzten Sommer in Williamsburg, Kentucky zu Hause ist. Hier studiert er an der University of the Cumberlands (UC) und spielt natürlich auch weiterhin Fußball.
“Unter professionellen Bedingungen Fußball spielen”
Williamsburg (rund 5.260 Einwohner) bezeichnet Ingmar als eine klassische amerikanische Kleinstadt mit vielen Fast Food Restaurants und kleineren Läden. „Falls man größere Pläne hat, fährt man in der Regel nach Knoxville oder Lexington, welche die nächsten Großstädte hier in der Gegend sind“, berichtet Ingmar, der bereits sein „Freshman-Year“, also die ersten zwei Semester am College erfolgreich gemeistert hat.
Sein Weg in die USA erfolgte eher durch Zufall. „Es begann damit, dass ich von einer Agentur angesprochen wurde, die für die Vermittlung von deutschen Athleten in die USA zuständig sind. Nach einigen Überlegungen und vielen Gesprächen, habe ich mich dann dazu entschieden, dass dieser Schritt eine sehr gute Erfahrung sein könnte. Besonders die Möglichkeit, mich auf mein Studium zu konzentrieren und gleichzeitig Fußball unter sehr professionellen Bedingungen zu spielen, haben mich am Ende überzeugt.“
Der Bewerbungsprozess wurde zum größten Teil von seiner Agentur übernommen. Dazu wurden auch Videos von Spielen angefertigt, damit sich die Coaches einen optimalen Eindruck des deutschen Keepers verschaffen konnten. „Nach einigen Gesprächen mit verschieden Coaches von mehreren Universitäten hier, hat mich das Gespräch mit unserem Coach von der University of the Cumberlands überzeugt.“ Neben dem Prozess, der an dieser Universität im Soccer-Program vorgeht, überzeugte Ingmar auch der akademische Teil der Universität. „Da dieser einen guten Ruf hat, habe ich mich schließlich entschieden diesen Weg zu gehen.“ Eingeschrieben hat er sich für Business Administration und Psychologie. „Da das reguläre Studium für einen Bachelor-Abschluss hier vier anstatt der üblichen drei Jahre beträgt, ist es möglich mehr als einen Abschluss zu machen“, erklärt er. „Dafür muss man zu einem die sogenannten „General Classes“ absolvieren (z.b. Geschichte, Biologie, …) und zum anderen natürlich fachspezifische Kurse belegen, wie zum Beispiel Rechnungswesen.“
“Am Ende wird hier genauso Fußball gespielt wie überall sonst auf der Welt auch”
Als sich Ingmar für sein Studium in Kentucky entschieden hatte, war an eine weltweiten Corona-Pandemie noch nicht zu denken. Während bei uns der Ball ruht und das Training nur eingeschränkt in Gruppen stattfinden darf, sieht es in Amerika ganz anders aus. „Da unsere Saison mit Weiche im Frühjahr 2020 abgebrochen werden musste, war ich dann recht froh, dass ich ab August wieder trainieren konnte, da das Training in den USA ab diesem Zeitpunkt wieder regelmäßig stattgefunden hat.“
Regelmäßig bedeutet bei den „Patriots“ der University of the Cumberlands tägliches Erscheinen auf dem Platz. „Für mich sieht das Training hier so aus, dass ich einen Torwarttrainer habe, mit dem wir Torhüter jeden Tag für ca. 45 Minuten individuell arbeiten und dann zum Ende jeder Einheit zu verschiedenen Spielformen oder anderen Übungen zur restlichen Mannschaft hinzustoßen“, gibt Ingmar Einblicke in das professionelle Training. „Selbstverständlich sind kleinere Unterschieden zum Training in Deutschland zu sehen, aber am Ende wird dann doch genauso Fußball gespielt wie überall sonst auf der Welt“, schmunzelt Ingmar. „Besonders innerhalb der Saison ist es natürlich manchmal etwas anstrengender Fußball und Uni unter einen Hut zu bekommen, da eine typische Woche dann so aussieht, dass man Sonntag-Dienstag-Sonntag spielt und die Auswärtsspiele sind oft mehrere Stunden Fahrt entfernt, was dazu führt, dass man häufiger einige Tage im Hotel verbringt und dort dann Hausarbeiten etc. bearbeitet.“
International besetztes Team
Der ehrgeizige Keeper, der in Satrup sein Abitur gemacht hat, konnte sich aber schnell in sein neues Umfeld einleben. „Meine Zeit hier lief bisher im Hinblick aufs Studium sehr gut. Ich konnte mich recht schnell an alles gewöhnen und auch mit der Sprache hatte ich sehr wenige Probleme. In dem Jahr, das ich nun hier bin, habe ich unglaublich viele Erfahrungen gesammelt.“ Aber nicht nur im Hörsaal lernt Ingmar dazu, sondern auch auf dem Platz. „Da wir ein komplett international besetztes Team sind, lernt man natürlich auch viel über andere Kulturen und auch auf dem Platz sind die Einflüsse von verschiedenen Fußball-Kulturen teilweise deutlich zu erkennen und davon kann man ab und zu noch viel lernen.“
Anders als in Deutschland, ist auch der Spielbetrieb in den USA. Die Colleges werden nach Regionen in Conferences eingeteilt, in denen dann jedes Team ein Mal gegen jedes andere spielt. Daraus resultierend spielen die ersten acht Teams der Tabelle dann in den Playoffs erneut gegeneinander und daraus wird dann der Conference-Sieger ermittelt. „Die besten Teams der jeweiligen Conference spielen dann in einem „National Tournament“ gegen die anderen Conference Sieger, um dann am Ende das beste Team im Land zu ermitteln“, erklärt der Keeper.
“Als Torwart muss man manchmal auch etwas Geduld mitbringen”
Zwar konnte Ingmar in seinem ersten Jahr noch nicht sehr viele Einsätze sammeln, dennoch konnte er sich durch das tägliche Training gut weiter entwickeln. „Auf der Torwartposition haben wir einen sehr großen, aber äußerst fairen Konkurrenzkampf. Unser Stammtorwart aus dem letzten Jahr genießt soweit noch das Vertrauen des Trainers, was er allerdings auch mit echt guten Leistungen untermauert. Als Torwart muss man manchmal auch etwas Geduld mitbringen.“
Dennoch lief seine erste „Conference Saison“ mit den „Patriots“ mehr als erfolgreich. „Nach einem schwachen Start in der „Regular Season“ sind wir als Tabellendritter in die Conference-Playoffs gegangen und konnten dort durch wirklich starke Leistungen am Ende die Meisterschaft in der Conference feiern. Das war natürlich besonders im ersten Jahr hier ein tolles Erlebnis für mich und das hat noch einmal gezeigt, wie viel Qualität in dem Team hier steckt.“
Mit einem Vergleich zu den deutschen Ligen tut sich Ingmar schwer, da es in den Staaten eine ganz andere Spieldynamik gibt. „Vom Niveau her würde ich es aber am ehesten im oberen Oberliga-Bereich ansiedeln.“
Der größte Unterschied zum deutschen Fußball liegt für Ingmar neben der Dynamik auch vor allem beim körperlichen Einsatz. „Einfach auch, weil es erlaubt ist das ganze Spiel über auszuwechseln, weshalb man nicht so sehr darauf achten muss, sich nicht zu schnell zu verausgaben“, erklärt der Schlussmann. „Auch die Uhr wird bei Verletzungen oder anderen Spielunterbrechungen angehalten und sobald die Uhr 90 Minuten anzeigt, ist das Spiel vorbei“, berichtet er. „Auch wenn der Stürmer gerade frei auf das Tor zuläuft.“
Einfach gehaltenes Studentenleben
Das Leben in den USA, der Alltag am College und der Fußball in einem internationalen Team haben Ingmar auch reifen lassen. „Ich habe natürlich gelernt selbstständiger zu leben, da man nicht mehr in seinem gewohnten Umfeld von zu Hause lebt.“
Sein Alltag beschreibt er hauptsächlich aus Vorlesungen, Training und Lernen. Das Zusammenspiel von Studium und Fußball unter professionellen Bedingungen hält er an der University of the Cumberlands für sehr gut geregelt, auch wenn sein Studentenleben ziemlich einfach gehalten ist. „In der Regel teilt man sich in großen Wohnhäusern mit einem Zimmernachbarn ein sehr kleines und schlichtes Zimmer“, berichtet Ingmar. „In meinem Fall lebe ich mit einem Isländer aus meiner Mannschaft in einem Raum zusammen, aber nach einiger Zeit gewöhnt man sich auch daran“, lacht er.
To-Do-Liste: Ein Spiel der NFL live im Stadion erleben
Abseits vom Platz unternimmt Ingmar gerne etwas mit seinen Freunden und lernt neue Leute kennen. „In Zeiten von Corona ist es natürlich auch hier etwas schwieriger herumzureisen, weshalb ich noch nicht viel mehr als die Nachbarstaaten Tennessee, Indiana, Virginia und Ohio zum Beispiel gesehen habe. Aber besonders durch die weiten Fahrten bei Auswärtsspielen bekommt man häufig auch was vom Land zu sehen.“
Neben seinen Reiseplänen steht auch noch ein Stadion-Besuch bei einem NFL-Spiel auf seiner To-Do-Liste. „Den Super Bowl hier in den Staaten zu verfolgen war natürlich auch ein tolles Erlebnis, da in den Tagen zuvor über kaum ein anderes Thema mehr gesprochen wird und die Leute wirklich darauf hin fiebern. Für mich war es auch mal ganz angenehm dieses Event zu einer normalen Uhrzeit anstatt wie gewohnt um 2 Uhr in der Nacht zu gucken“, grinst er.
Abschluss im Mai 2024
Neben dem Super Bowl Triumph von Tom Bradys Tampa Bay Buccaneers bekam Ingmar auch die Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten live vor Ort mit. „Zu der Zeit der US-Wahlen war ich tatsächlich gerade in einem Hotel in Corona-Quarantäne, wodurch ich dort ziemlich viel Zeit damit verbringen konnte den Wahlkampf zu verfolgen“, erinnert er sich. „Da Kentucky ein klarer roter Staat ist (also republikanisch) waren viele Leute hier vermutlich eher enttäuscht mit dem Ergebnis, aber große Reaktionen hat man ehrlich gesagt nicht mitbekommen und besonders unter den Studenten sind auch viele, die Trump ganz klar kritisiert haben.“
Wenn alles nach Plan verläuft, wird Ingmar auch die nächsten drei Jahre noch in Kentucky an der University of the Cumberlands studieren und im Mai 2024 graduieren. „Natürlich macht man sich Gedanken darüber, wie es nach den vier Jahren hier weitergehen wird, aber komplett sicher bin ich mir noch nicht“, überlegt er. Vorstellen könnte er sich aber eine Rückkehr in seine Heimat, um seinen Master zu machen, „und im Norden wieder Fußball zu spielen.“ (msc)
Dieser Artikel erschien in unserer Printausgabe Mai/Juni 2021