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Wenn es einen Spieler gibt, der sich ein Abschiedsspiel verdient hat, dann ist es Sebastian “Flopi” Struve. Seine ganze Karriere spielte er nur bei einem Verein, den TSV Lindewitt bzw. der SG Nordau.
Diesen Tag wird Sebastian Struve nie vergessen: Am 24. Juli 2021 lief er ein letztes Mal im Waldstadion von Lindewitt auf. Nach 29 Jahren beendete „Flopi“ seine Karriere. Davon spielte er über 17 Jahre lang in der ersten Herrenmannschaft vom TSV Lindewitt und seit 2017 in der neugegründeten SG Nordau. Natürlich wurde „Flopi“ auch Kapitän der Mannschaft, war für seine Zweikampf- und Kopfballstärke bekannt. Nie wechselte er den Verein. „Das ein Spieler lediglich bei einem Verein spielt, finde ich viel zu selten und sehr lobenswert“, befand sein letzter Trainer Marvin Kreutzer, der natürlich bei der großen Abschiedsfeier und dem Spiel der SG Nordau gegen „Flopi‘s Allstars“ dabei war.
An der Entstehung war Kreutzer nicht unbeteiligt, so machten die beiden auf einer der legendären „Blau-Weißen-Nächten“ einen Deal aus. „Ein Wort ergab das andere und nach harten Verhandlungen hatte er meine Zusage für ein weitere Saison in der Mannschaft und ich mein Abschiedsspiel“, lacht Struve. Gut drei Jahre später war es nun soweit. Für „Flopi“ fiel der letzte Vorhang. „Das Spiel war emotional wohl das schönste, was ich je im Fußball erleben durfte“, denkt er voller Stolz auf diesen Tag zurück. „Ich wusste lediglich, wann es stattfinden sollte, alles weitere war eine einzige Überraschung.“ Doch nicht nur das Spiel an sich, machte Struve glücklich, sondern vor allem wie viele Menschen an diesem Abschied beteiligt waren und nur für ihn an diesem Nachmittag dabei waren, um ihn einen unvergesslichen Tag zu bescheren. „Nicht nur die Jungs aus der Mannschaft und das Trainerteam waren an der Vorbereitung beteiligt, auch unsere fussballverrückten Mädels am Tresen waren mit am Start und mein Bruder war maßgeblich daran beteiligt das „Allstar Team“ zusammenzustellen. Selbst unsere Vereins Schiedsrichter-Legende Ernst Matthiesen hat sich mit 76 Jahren sofort bereit erklärt das Spiel zu pfeifen“, freut sich „Flopi“, der 1992 mit dem Fußballspielen begann. „Einige aus dem „Allstar Team“ haben extra für dieses Spiel ihren Familienurlaub abgebrochen, sind nachts noch 200 Kilometer gefahren, um dabei zu sein. Also das ganze drum herum war einfach irre“, kann er es immer noch nicht richtig begreifen, was da für ihn auf die Beine gestellt wurde. „Auch wenn ich versucht habe jedem persönlich zu danken, nutze ich mal die Gelegenheit: DANKE! Danke an alle die daran beteiligt waren, es war großartig!“

„Ich wollte den richtigen Zeitpunkt immer selbst bestimmen“
Auch die Tatsache, dass Sebastian Struve bis zum Ende seiner Karriere in der Verbandsliga-Mannschaft der SG Nordau spielte, macht seinen Abschied so besonders. „Ab einem gewissen Alter fängt man automatisch an zu überlegen, wie lange man das noch durchhalten kann“, erklärt er. „Für mich war es immer wichtig, den Zeitpunkt des Abschiedes selber zu bestimmen. Ich wollte es den Trainern, aber auch mir ersparen, dass sie irgendwann gezwungen sind zu sagen: „Flopi, reicht jetzt, wir planen ohne dich weiter.“ Wobei das niemals der Wortlaut gewesen wäre, denke ich“, lacht er. „Noch schlimmer wäre gewesen, wenn es Stimmen aus den Zuschauerreihen gegeben hätte. Das wollte ich um jeden Preis verhindern. Aber wirklich entschieden habe ich es erst jetzt kurz, vor dem Vorbereitungsstart. Es hat sich zufällig ein privates Projekt aufgetan, welches ich mit meinem Bruder und einem Freund angehen werde. Neben dem Projekt werde ich dann weder die Zeit, noch die Kraft haben weiter so zu trainiere oder zu spielen, wie ich es möchte.“
Erinnerungen an seinen ersten Ligaeinsatz

Im Laufe seiner Karriere hat „Flopi“ viel erlebt, „auch wenn ich nicht unbedingt mit sportlichen Erfolgen glänzen kann“, schmunzelt er. „Aber es gibt schon Spiele die mir besonders in Erinnerung geblieben sind. Zum Beispiel meinen ersten Einsatz in der damaligen Ersten in der Bezirksliga, nachdem ich neun Spiele am Stück ohne eine Minute Einsatzzeit zu bekommen mitgefahren bin. Mit damals 17 Jahren war ich dementsprechend nervös, als ich zur Halbzeit eingewechselt wurde.“ Lachend fügt er hinzu: „Thorsten Fiedler, unser damaliger Kapitän, hatte alle Hände voll damit zutun, mich zu beruhigen. Dank seiner Hilfe ging alles gut, wir gewannen 2:1 in Rödemis.“
Auch an ein Spiel aus der A-Klasse in Jarplund gegen Wiesharde denkt er gerne zurück. „Wir mussten gewinnen, ansonsten wäre es sogar runter in die B-Klasse gegangen. Zur Halbzeit lagen wir 0:1 hinten. Die Minuten bekomme ich nicht mehr zusammen, aber spät im Spiel machten wir das 1:1 und ziemlich mit dem Schlusspfiff gelang mir das 2:1 per Kopf. Zur darauffolgenden Saison kamen dann Marvin, Reiner und Thomas als Trainerteam und wir sind direkt Meister geworden“, erinnert er sich. „Mit der Gründung der SG, ging uns ja leider auch ein Derby verloren. Das letzte wird mir in Erinnerung bleiben. Da gelang mir das letzte Tor, bevor wir uns zur SG Nordau zusammengeschlossen haben. Leider nur ein 2:2“, schmunzelt er.
Der Aufstieg im Krankenhaus

Als seinen sportlichen Höhepunkt sieht er ganz klar das Spiel gegen Goldebek 2019 an und der damit verbundene Aufstieg in die Verbandsliga Nord. „Leider habe ich da gar nicht soviel von mitbekommen. Nach ca. 20 Minuten war ich mit einer dicken Platzwunde bereits mit dem Krankenwagen auf dem Weg zum Nähen“, erzählt Struve. „Als ich gerade aus dem Behandlungszimmer kam, kam mir meine Freundin entgegen und sagte: Marvin Gefke hat das 1:0 für uns gemacht, das Spiel ist aus. Ihr seid in die Verbandsliga aufgestiegen.“ Struve macht eine Pause und erzählt lachend weiter: „Der Jubel von mir muss so laut gewesen sein, dass die Leute im Wartezimmer ihn wohl gehört haben müssen. Als ich mit meinem blutverschmierten Trikot in den Wartebereich kam, fingen die dort wartenden Leute an zu klatschen.“ Für Sebastian Struve ging es anschließend zurück nach Goldebek zur großen Meisterschaftsparty. „Am nächsten morgen ist dann auch das Vereinswappen als Tattoo auf meiner Wade entstanden.“
Zum Ende seiner Karriere konnte Sebastian Struve dann auch noch bei seinem Abschiedsspiel einen persönlichen Fluch besiegen. Nach einem zufälligen Foul seines Bruders, ging es ein letztes Mal zum Elfmeterpunkt. „Kein leichtes Ding für mich, da ich bisher fünf von fünf Elfmetern verschossen hatte, eine Quote von 100 Prozent. Aber an diesem Tag sollte mir sogar das gelingen und der Fluch wurde besiegt.“
„Vereinstreue war mir immer wichtig“

Es gibt Spieler, die gefühlt alle zwei Jahre den Verein wechseln. Nicht so Sebastian Struve. „Für mich war Vereinstreue immer wichtiger, als persönlicher Erfolg. Wenn Erfolg, dann mit meiner Mannschaft, mit meinem Verein“, sagt er überzeugt. „Ich habe den Verein immer als meine Familie angesehen, daher war es für andere Vereine nahezu unmöglich, mich zu einem Wechsel zu bewegen. Ich war zwar ein paar mal zu Gesprächen, aber eigentlich stand die Entscheidung vorher schon zu 99 Prozent fest“, berichtet Struve. „Auch heute, wenn meine Freundin und ich auf dem Gelände sind, lässt niemand einen Zweifel daran, dass wir weiterhin zur Nordau Familie gehören. Das ist für mich die Bestätigung, dass ich mit meiner Vereinstreue alles richtig gemacht habe.“
Ganz ohne Fußball geht es aber nicht. Da sein geplantes Projekt noch nicht ganz an Fahrt aufgenommen hat, steht Sebastian Struve als Aushilfe bei der zweiten Herrenmannschaft zur Verfügung.
„Sofern es zeitlich passt, gehe ich dort zum Training“, berichtet er. „Aber für die nächsten 1 bis 1,5 Jahre wird es wohl eine Fußballpause geben. Wenn es möglich ist, werde ich natürlich auch weiterhin zum Zuschauen hinfahren. Eventuell engagiere ich mich noch weiter im Festausschuss der Ersten, zumindest bei den Kabinenpartys“, lacht er. „Nach Beendigung des Projektes, habe ich zumindest aus heutiger Sicht vor, danach in unserer Zweiten einzusteigen. Ganz ohne Fußball geht es dann doch nicht.“
Fotos vom Abschiedsspiel
„Es ist möglich, sich in der Landesliga zu etablieren“
Wenn er als Zuschauer dabei ist, dann sieht er seine Ex-Mannschaft in dieser Saison auch als absolute Favoriten an. „Die Jungs sind fit, bis auf ein paar Ausnahmen jung, sie spielen einen geilen Ball und obendrein verstehen sich auch alle privat sehr gut. Das sind die besten Voraussetzungen. Wenn sie weitestgehend vom Verletzungspech verschont bleiben, haben sie auf jeden Fall das Zeug zum Aufstieg. Auch langfristig gesehen ist es möglich sich in der Landesliga zu etablieren.“
Als Fan wäre Sebastian „Flopi“ Struve dann definitiv wieder mit dabei, bei seiner SG Nordau. (msc)
Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Printausgabe September/Oktober 2021
