Grenzwertige Zweitliga-Bedingungen für die Nordfrauen

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Von einem noch nie so dagewesenen Zuspruch, sprach Claus Bargiel, Vorsitzender des TSV Nord Harrislee, bei einer öffentlichen Trainingseinheit der „Nordfrauen“, die sich in dieser Saison zusammen mit ihrem Trainerteam Herluf „Shorty“ Linde und Peer Linde in das „Abenteuer 2. Liga“ stürzten. Nach dem Lob an die Mannschaft, reichte er das Wort an Teammanager und Torwarttrainer Rainer Feddersen, der auf die aktuelle Situation der Nordfrauen zu sprechen kam. Feddersen sprach von einer sensationellen Saison mit vielen Überraschungen, gingen sie doch zuvor als klarer Abstiegskandidat in die Saison. Sportlich fehlen noch geschätzte acht Punkte für den Klassenerhalt, der noch längst nicht gesichert ist. „Unser Ziel ist es auch in der nächsten Saison in der zweiten Liga zu spielen. Wir hoffen auf die Zustimmung des Vereins und die weitere finanzielle Unterstützung der Sponsoren, denen wir es überhaupt zu verdanken haben jetzt in dieser Liga spielen zu können.“

Fehlende Unterstützung

Viele der stolzen insgesamt 54 Sponsoren, wovon überraschend mehr aus dem Hamburger Raum stammen als aus Harrislee, haben auch schon bereits ihre weitere Unterstützung für die Nordfrauen zugesagt, trotzdem herrschen insbesondere im finanziellen Bereich grenzwertige Bedingungen für eine Mannschaft, die in der zweiten Bundesliga aktiv ist. Der Mannschaft steht insgesamt ein Budget von rund 200.000 Euro zur Verfügung, dafür wird ein Großteil des Geldes für die Auswärtsfahrten und Aufwandsentschädigungen der Spielerinnen benötigt. „Wir übernachten in keinen Luxushotels“, sagt Feddersen, dennoch fallen für die Fahrten in dieser Saison rund 8.000 Euro an. „Hier möchte ich mich ganz herzlich bei der Gemeinde Harrislee bedanken, die gesagt hat, wir helfen mit einem Sonderzuschuss.“ Es sei ein tolles Gefühl, dass die Gemeinde hinter ihnen stehe, fuhr Feddersen seine Ausführungen fort. „Trotzdem schaffen wir es nicht die Kosten zu decken.“ Der Verein ist verpflichtet den Spielerinnen einen Mindestlohn zu zahlen, der sich auf 280 Euro pro Monat beläuft, rund 96.000 Euro pro Saison für 16 Spielerinnen und liegt damit „gerade so im rechtlichen Rahmen“. Auch die angekündigte Unterstützung vom Handballverband Schleswig-Holstein e.V. (HVSH) blieb bisher aus. „Es war noch nie jemand von ihnen in der Halle, es hat sich keiner gemeldet, das ist sehr enttäuschend“, so Feddersen kritisch, „immerhin geht es bei den Männern auch.“ Trainer „Shorty“ Linde bemängelte hinzu, dass auch von den Einnahmen des DHB kein Geld bei der Basis ankomme. „Ein Etat von 300.000 bis 350.000 Euro wäre wünschenswert“, sagt Linde, „dann wäre es möglich eine zweite Liga in Harrislee fest zu installieren.“

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Mit viel Herz und Leidenschaft für den Verein

Rainer Feddersen stellt zugleich fest, dass beim TSV Nord Harrislee noch mit Herz gespielt wird und nicht des Geldes wegen. Das stellen auch viele der Spielerinnen eindrucksvoll unter Beweis, die teilweise reduzierte Arbeitszeiten haben und für den Sport auf Lohn verzichten. „Bei vielen reicht das vom Verein erstatte Fahrtgeld noch nicht mal aus. Da blutet mir mein Herz“, sagt „Shorty“ Linde, der erklärt, dass viele seiner Spielerinnen aus Kiel oder Heide kommen. Feddersen ergänzt, dass das Funktionsteam der Nordfrauen quasi „für lau“ arbeitet. Linde macht an anderen Vereinen in der zweiten Liga deutlich, dass diese hauptamtliche Trainer haben, die locker auf 5.000 bis 6.000 Euro brutto kommen. „Andere Vereine holen auch nach Belieben einfach neue Spielerinnen, da herrschen ganz andere Strukturen.“ Dies wäre auf Grund der prekären finanziellen Situation bei den Nordfrauen undenkbar.

Zeitlich hoher Aufwand für Spielerinnen und Trainer

Auf gut 40 Stunden die Woche kommt „Shorty“ Linde mit seiner Arbeit für die Nordfrauen, „und ich bin noch voll berufstätig.“ Grenzwertig, findet der Trainer, der oft schlaflose Nächte durchlebt. Vier Mal pro Woche wird für jeweils zwei Stunden in Harrislee trainiert, dazu kommen Konditions- und Krafttrainingseinheiten in Eigenverantwortung. Das Trainerduo legt auch viel Wert auf eine Videoanalyse. Co-Trainer Peer Linde schneidet die Szenen selbst zusammen, passend für jede Spielerin, die sich drei Spiele der kommenden Gegner zur Vorbereitung anschauen müssen. „Das sind weitere drei Stunden zu Hause vor dem PC“, erklärt Linde. Er selbst verbringt bis zu 12 Stunden mit der intensiven Videoanalyse. Noch stressiger wird es für alle bei den langen Auswärtsfahrten. Trotzdem liebt „Shorty“ Linde seinen Trainerjob, die gemeinsame Zeit und das Lachen mit seiner Mannschaft. Allerdings hat sich der Trainerfuchs, der in seiner langen Trainer-Laufbahn noch nie abgestiegen ist, noch nicht entschieden, wie es für ihn persönlich in der nächsten Saison weitergehen wird und ließ seine Zukunft als Cheftrainer der Nordfrauen offen. „Die Unterstützung für den großen Aufwand, den wir hier betreiben, muss gewährleistet sein.“

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Die Nordfrauen als Sympathieträger

Auch die Gespräche mit den Spielerinnen laufen, „wünschenswert wäre es, wenn das Team so zusammen bleiben könnte.“ Aber auch mit neuen Spielerinnen werden bereits Gespräche geführt, Neuzugänge für die kommende Saison können aber noch nicht verkündet werden. „Wichtig ist, dass sie ins Mannschaftsgefüge passen“, sagt Rainer Feddersen, der betont wie schwer es sei passende Spielerinnen zu bekommen. Dass es sich lohnt, für die Nordfrauen aufzulaufen, zeigt die Entwicklung im Umfeld. „Die Mannschaft hat viele Freunde gewonnen“, meint Linde und Feddersen sieht sie als „Sympathieträger“. So kamen bei den „Heimspielen“ in der Wikinghalle bis zu 600 Zuschauer. Horst Fleischmann, erster Vorsitzender des Handewitter Sportverein und Hallensprecher der Nordfrauen, zeigte sich begeistert und soll schmunzelnd erzählt haben, die Wikinghalle noch nie so voll gesehen zu haben. Allen Interessierten, die sich noch nie ein Spiel der Nordfrauen angeschaut haben, rät Rainer Feddersen bei einem der nächsten Spiele vorbeizuschauen. „Es lohnt sich, so ein Spiel mal anzuschauen. Jeder der einmal hier war, wollte auch wiederkommen.“ Das wichtigste sei aber“, so der Teammanager, „die Fahrtkosten-Situation in den Griff zu bekommen. Der TSV Nord Harrislee würde sich über weitere Sponsoren freuen, gerne auch direkt aus Harrislee.


Update (21.02.2019, 11 Uhr):
An dieser Stelle möchten wir einen offenen Brief von Rainer Feddersen im Bezug auf seine Kritik an den HVSH veröffentlichen .

Unberechtigte Kritik: Offener Brief von Rainer Feddersen an den HVSH






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