Flensburgs Box-Champion

Die Freddy Kiwitt Story

veröffentlicht am

TNS SPORTS bereits ab 3 Euro/Monat

Born in civil war in Liberia
Grow up in Germany
Moved to the UK
Become a Champion

“Wenn eine ganze Halle deinen Namen ruft und wie ein Mann hinter dir steht, dieses Gefühl ist unglaublich.“ Freddy Kiwitt durfte am 3. Dezember bei seinem Auftritt bei der Boxgala in der Sporthalle des Flensburger Fördegymnasiums genau dieses Gefühl erleben. Noch besser: Nach seinem KO-Sieg in der dritten Runde über “Lightning” Ali Hasso wurde er neuer Deutscher Meister im Super-Weltergewicht.
Zwar boxte Freddy Kiwitt zuletzt zahlreiche Male in Hamburg, die Atmosphäre in Flensburg war aber noch einmal eine ganz andere. Ein echtes Heimspiel für Kiwitt, der am 24. August 1990 kurz nach Ausbruch des liberianischen Bürgerkriegs in Saclepea, Liberia als Frederick Gleluo Kiwitt geboren wurde. Sein Vater, Werner Kiwitt, Geschäftsführer des artefact in Glücksburg, holte seine Familie kurz darauf nach Glücksburg. Hier wuchs Kiwitt, der noch zwei ältere und zwei jüngere Brüder hat, auf.

Freddy Kiwitt. Foto: Sven Geißler

Zunächst spielte Freddy bei IF Stjernen und DGF Flensborg Fußball, bis ihn eine Verletzung stoppte. Bis dahin hatte der heute 32-jährige keinen Kontakt zum Boxsport, „bis auf die kleinen Raufereien mit meinen Brüdern.“ Damals war er 18 Jahre alt und eigentlich schon viel zu alt, um die Sportart zu wechseln. „Alle sagten, das wird doch eh nichts“, erinnert sich Freddy, besuchte mit Freunden aber dann doch die Boxabteilung von DGF Flensborg. Und er fand Gefallen an dem Sport. „Man ist alleine für Sieg und Niederlagen verantwortlich.“ Das gefällt ihm. Und so hatte Freddy ein neues Ziel vor Augen: Er wollte Boxprofi und vielleicht eines Tages Weltmeister werden, wie sein Idol Muhammad Ali. Dafür war er bereit alles zu geben. „Was man reinsteckt, ist das, was man rausholt“, ist Freddy davon überzeugt, dass er mit viel Fleiß und hartem Training sein Ziel erreichen wird. Auf seinem Unterarm hat er den Schriftzug „Impossible is nothing“ tätowiert. Daran glaubt er.
Nach seiner Laufbahn als Amateur, indem er den Spitznamen „Pretty Boy“ auf Grund seines guten Aussehens bekam, fasste er den Entschluss nach England zu gehen. Um Profi zu werden. In London.

Profidebüt 2013 in London

Am 23. November 2013 gab er schließlich sein Profidebüt. Vom Boxen leben konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Um das teure Leben in London finanzieren zu können, arbeitet er als Personal Trainer. Alles für seinen Traum. Während andere Boxer zwischen den Trainingseinheiten regenerierten und zur Ruhe kamen, musste Freddy arbeiten gehen. Für ihn ganz normal. Er hatte schließlich eine Familie zur versorgen. Neben der ältesten Tochter Ashanti kam 2018 auch Sohn Monrovia zur Welt, der oft dabei war, wenn Freddy sein straffes Tagesprogramm in London absolvierte.
„Man muss mehr machen als der Durchschnitt, um Champion zu werden“, sagt Kiwitt und erinnert sich an die Worte seines damaligen Trainers. Sollte sein Sohn eines Tages ebenfalls den Wunsch haben Boxprofi zu werden, wird Freddy ihm zur Seite stehen, aber auch das gleiche von ihm verlangen wie sein eigener Trainer. „Ich unterstütze ihm bei allem, was er machen will. Wenn es das Boxen wird, dann muss er wissen, dass es wahrscheinlich der härteste Sport in der Welt ist. Und nur weil ich sein Vater bin, werde ich es nicht leicht für ihn machen, wahrscheinlich eher im Gegenteil.“ Das sein Sohn zuletzt verstärkt Interesse am Boxsport zeigte, freut Freddy natürlich besonders.

2015 schaffte es Freddy Kiwitt im Vorprogramm von Arthur Abraham zu boxen, der damals bei Sauerland unter Vertrag stand.

Die ersten Titelgewinne

Vier Jahre später, am 9. Juli 2017, bekam er dann selbst die große Chance um einen Gürtel zu kämpfen. Er traf in der Londoner York Hall auf Erick Ochieng, einen ehemaligen englischen Meister. In der siebten Runde gelang Freddy Kiwitt der Knockout und somit sein erster Titelgewinn. So wurde der „Pretty Boy“ in seiner Wahlheimat Southern Area Welterweight Champion.

Es sollte aber noch besser kommen. So geschehen am 22. Februar 2019 als Freddy erneut in der traditionellen Boxhalle in London um die WBO Europameisterschaft gegen den Briten Paddy Gallagher antrat. Der Linksausleger schickte seinen Gegner in diesem Kampf zwei Mal auf die Matte und gewann am Ende nach Punkten. In der WBO-Welterweight Weltrangliste verbesserte sich Kiwitt durch diesen Triumph auf Rang elf.

Freddy Kiwitt mit seiner Titelsammlung. Foto: Sven Geißler

Mit dem frisch gewonnenen Titel im Gepäck kehrte der Champion 2019 zurück zu seinen Wurzeln. Freddy fand sich zu einem Besuch bei DGF-Boxen ein und trainierte mit den Jungs der beiden Trainer Torge Sukus und Martin Erdmann. Der damalige DGF-Vorsitzende Dieter Lenz schenkte Freddy Kiwitt stolz seinen alten Spielerpass aus seiner Zeit als Fußballer im Verein.
„Wenn ich das schaffe, dann könnt ihr das auch. Und ihr könnt sogar noch viel mehr schaffen als ich“, gab Freddy den Flensburger Nachwuchsboxern als Ratschlag mit auf dem Weg.

Freddy wird Afrika-Meister

Für ihn selbst ging sein Weg 2019 in Ghana mit seinem bis dahin wichtigsten Profikampf weiter. Nicht nur, dass einer seiner Kämpfe erstmals über 12 Runden angesetzt wurde, er bekam auch die einmalige Chance neuer Afrika-Meister der African Boxing Union (ABU) zu werden. In Ghana wurde Kiwitt mit offenen Armen empfangen. „Die Leute haben mich so geliebt und gefeiert, als ob ich einer von ihnen wäre“, erinnert sich der 1,80 Meter große Kiwitt. In der Hauptstadt Accra traf Kiwitt am 20. Juli 2019 auf Samuel Turkson, der kurzfristig Daniel Adeku ersetzen musste. Der Lokalmatador hatte 15 Siege, davon zuletzt acht Siege in Folge errungen und somit die gleiche Anzahl an gewonnener Kämpfe vorzuweisen wie Freddy Kiwitt, der jedoch von Beginn an das Kommando im Ring übernahm. Am Ende der vierten Runde schickte Kiwitt seinen Gegner mit einem rechten Haken zu Boden. Sichtlich mitgenommen rettete sich sein Gegner in die Pause, aus der er aber nicht mehr herauskam, sodass der Ringrichter den Kampf durch technischen Knockout für beendet erklärte. Durch diesen Sieg wurde Kiwitt der erste Boxer im Weltergewicht, der sowohl einen europäischen als auch einen afrikanischen Kontinentalmeistertitel erringen konnte. „Es war total anders, als in Europa zu boxen“, erinnert sich der „Pretty Boy“ gerne an seine Zeit in Ghana zurück. „Ich habe jetzt schon mehr erreicht, als ich überhaupt geplant hatte“, wollte er ursprünglich ja nur Profi werden. Um sich an das schwülwarme Klima in Ghana zu gewöhnen, bereitete er sich dort mehrere Wochen auf den Kampf vor.

Eine bittere Niederlage

Den Sommer verbrachte Kiwitt in Hamburg, wo er IBO-Weltmeister Sebastian Formella bei seiner Kampfvorbereitung vor dem Titelgewinn unterstützte. In der Vergangenheit war der gefragte Trainingspartner auch schon beim Weltmeister im Weltergewicht Julian Williams in den USA sowie bei seinem langjährigen Trainingspartner und Kumpel Leichtgewichtsweltmeister Richard Commey in London beim Sparring im Einsatz.

 

Freddy Kiwitt zierte mit diesem Bild das TNS SPORTS Cover #31. Foto: Sven Geißler

Sein Kampfjahr 2019 aber war noch nicht beendet. Sein dritter Kampf führte ihn zu einem Box-Event ins dänische Vejle. Nach über drei Jahren hatten somit seine deutschen Fans wieder die Gelegenheit Freddy live im Ring zu sehen. Im Idræts Center besiegte er am 9. November “Maestro” Andreas Maier per TKO.
„Ich bin froh, dass alles gut gelaufen ist“, sagte Freddy nach dem Kampf, da er kurz vor Weihnachten noch einen großen Titelfight vor der Brust hatte.
Zurück in der Londoner York Hall traf Kiwitt am 19. Dezember auf WBO Global Welterweight Champion Luther Clay und musste sich nach zehn Runden nach Punkten geschlagen geben.

Freddy wollte die bittere Niederlage schnell vergessen machen und zeitig den nächsten Kampf bestreiten. Geplante Kämpfe in Ghana, den USA und Kanada wurden auf Grund der Coronapandemie abgesagt. Für seinen zweiten Kampf in Ghana war er sogar schon angereist, bevor die kurzfristige Absage fünf Tage vor dem Fight erfolgte. Weltweit war an Boxkämpfe nun nicht mehr zu denken. „Ich habe trotz allem jeden Tag trainiert. Als Profi durftest du in London trainieren und ich habe online Personal Training gegeben, um mich während Corona über Wasser zu halten.“

Privates Glück und Rückkehr nach Flensburg

Dafür lief privat alles bestens für Freddy. 2020 kam seine zweite Tochter zur Welt, 2021 heiratete er seine Verlobte Jutima, um das Familienglück perfekt zu machen. Auch ist Freddy 2021 zusammen mit seiner Familie zurück nach Flensburg gezogen und fand bei Universum in Hamburg eine neue sportliche Heimat. „Von Flensburg nach Hamburg war ein Katzensprung und Universum hatte damals den besten Namen in Deutschland“, erklärt er seine Entscheidung. Es passte einfach.

Am 21. August 2021 kehrte der „Pretty Boy“ endlich zurück in den Squared Circle. Gegen den Moldavier Octavian Gratii siegte er klar nach Punkten. Es folgten klare Siege über „El Terrible“ Johan Perez im September und im November gegen den Kolumbianer Wilbur Blanco Martinez.

Schwere Verletzung bedrohte seine Karriere

Auch 2022 folgten weitere Kämpfe für Universum, um sich wieder eine Titelchance zu erarbeiten. Am 19. Februar konnte Freddy Kiwitt gegen den Georgier Merab Turkadze überzeugen. „Ich habe gezeigt, was ich kann und was noch kommen könnte.“ Doch dann stoppte ihn ein Bandscheibenvorfall, der fast seine Karriere beendete.
„Das wird nichts mehr mit dem Boxen, sagte mir ein Arzt in Flensburg und warnte, dass ein weiterer harter Treffer eine Querschnittslähmung zur Folge haben könnte“, erinnert sich Freddy an die schlimme Diagnose. „Aber wenn man an sich glaubt, ist alles möglich. Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben und ich wusste tief in mir, dass ich noch lange nicht mit dem Boxen fertig bin. Mein Ziel ist Weltmeister zu werden, und solange brennt das Feuer noch in mir.“

Freddy Kiwitt zusammen mit seinem Sohn nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Foto: Sven Geißler

Die Rückkehr in den Ring

Freddy kämpfte sich zurück, wurde Beschwerdefrei und fand den Weg zurück in den Ring. Am 10. September 2022 boxte er tatsächlich wieder für Universum. Auf seiner Boxhose prangte ein fetter „Believe“-Schriftzug. Der Glaube spielt für Freddy Kiwitt eine große Rolle. „Der Glaube an Gott und meine eigenen Fähigkeiten brauche ich täglich, denn ich weiß, was ich mache, ist größer als ich selbst. Boxen ist die Plattform, die ich bekommen habe, um Menschen zu inspirieren und motivieren.“
Sein Comeback gegen den “Demoledor” Ivan Rafael Matute Villanueva aus Venezuela konnte Freddy Kiwitt klar für sich entscheiden. Es war sein 22. Sieg und sein vorerst letzter Kampf für Universum.

Große Titelkämpfe als Ziel

Nun will Freddy Kiwitt zurück in die Weltrangliste kommen und große Titelkämpfe bestreiten: „Ich will mich mit den Besten messen. Ich fühle mich jetzt in meiner Bestzeit. Ich habe viel Erfahrung gesammelt und bin noch schnell und stark genug, um es mit den Besten aufzunehmen. Ich habe es bereits im Sparring gezeigt. Ich brauche nur die Unterstützung und die Möglichkeit es zu beweisen.“ 


Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Printausgabe 31 | Januar 2023
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